Wiens Unterwelt - Katakomben unterm Stephansdom

DerMitmuss • Jan. 24, 2023

Die Wiener haben schon immer, so sagt man, ein ganz besonderes Verhältnis zum Tod. Und hier im Stephansdom, oder besser gesagt unter dem Stephansdom, kannst du es selbst hautnah erleben.


Wer es nicht weiß, der würde bei seinem Besuch des Stephansdomes nicht vermuten, dass sich wenige Meter unter seinen Füßen eine riesige, dunkle Welt der Toten befindet.


Unter dem Dom befindet sich quasi ein einziger großer Hohlraum, welcher über die Jahrhunderte hinweg (seit ca. 1486) traurige und makabre Geschichte schrieb.

Eingang zu den Katakomben


Im linken Seitenschiff des Doms befindet sich der Eingang in diese Unterwelt.


Steigt man hinab (Führungen werden zu jeder vollen Stunde angeboten), gelangt man zuerst in den alten Teil der Katakomben, welcher jedoch aufgrund umfangreicher Restaurierungen einen modernen Eindruck macht, die sogenannte Kapelle. Hinter ihr befindet sich die Gruft, in der sich mehrere verschlossene Kupfersärge mit Bischofsleichen und Kupfergefäße befinden.

Die Metallgefäße, die teils mit Kreuzen, Totenschädeln und Inschriften verziert sind, enthalten die Eingeweide der Habsburger. Es war in Wien Brauch, die Körper der Verstorbenen zu leeren und die Innereien separat zu bestatten - in einem Gefäß, das eine konservierende Alkohollösung enthält. Die Körper der Habsburger wurden in der Kaisergruft unter der Kapuzinerkirche beigesetzt und die Herzen in der Herzgruft der Augustinerkirche.

Urnen mit den Eingeweiden der Habsburger


Die Urnen in den Katakomben des Stephansdom haben unterschiedliche Größen. Das kommt daher, da einige der Gefäße im Laufe der Zeit immer wieder undicht wurden. Um den austretenden Gestank zu unterbinden, hat man die betroffene Urne einfach in ein größeres Kupfergefäß gestellt und erneut luftdicht verschlossen.

Als nächstes gelangt der Besucher in die Gruft, in welcher die Domherren und Bischöfe hinter Marmorplatten in den Wandnischen bestattet sind. Nischen für die Nachfolger werden bereits freigehalten.


Betritt man nun den später geschaffenen Teil der Katakomben, wird es dem Besucher schon ganz anders zumute.

Gang in den unterirdischen Katakomben


Schwach beleuchtete Gänge, erfüllt mit modriger Luft, führen immer weiter ins Erdinnere. Man gelangt in einen Raum, in welchem sich ein vergittertes Fenster befindet. Dahinter liegt ein weiterer Raum, der bis obenhin mit menschlichen Gebeinen angefüllt ist. Auf den Knochenhaufen liegen einige zerfallene Särge mit mehr oder weniger intakten Skeletten, die zumindest als solche noch erkennbar sind.

Alle Räume, die für den Besucher zugänglich sind, waren einst bis unter die Decke mit Leichen gefüllt. War ein Raum voll, wurde er zugemauert, und man füllte den nächsten Raum mit Toten. Mit der Auflassung des Friedhofes um den Dom um 1732 kam nochmals eine Unmenge an Toten hinzu, welche in den Katakomben bestattet werden sollten.


Eine besonders grausige Einrichtung bestand in der Zeit, als die Pest in Wien wütete. Die Zahl der Dahingerafften häufte sich dermaßen, dass man nicht mehr imstande war, die Berge von Toten standesgemäß zu bestatten. Daher wurde auf der Seite des Domes eine Öffnung gegraben, durch die man die Leichen über eine rutschbahnartige Vorrichtung in die Tiefe beförderte.

Verrottete Särge und freiliegende Gebeine


Eine sogenannte Pestgrube ist heute noch sichtbar. Es ist eine kleine runde Öffnung, durch die gerade ein menschlicher Körper hindurchpasst. Der Hohlraum darunter ist bis obenhin voll mit Knochen. Es gab Zeiten, in denen der Stephansdom geschlossen wurde, weil der enorme Verwesungsgestank, welcher aus der Tiefe durch die Ritzen drang und das Kircheninnere erfüllte, nicht zu ertragen war. Man verriegelte auch die Katakomben.

Anfang des 19. Jahrhundert wurden Mönche und Sträflinge in die Katakomben geschickt mit der Aufgabe, in den dunklen Räumen Ordnung zu schaffen. Was sie in der Tiefe antrafen, dürfte grauenvoll gewesen sein: Ein heilloses Durcheinander von menschlichen Überresten, halb oder ganz verweste Leichen bis unter die Decke übereinander liegend – jenseits jeglicher Ordnung.

Gebeine soweit das Auge reicht


Man begann, die Toten zu stapeln und lose Gebeine aufzuschichten, Särge soweit möglich zu ordnen und Platz zu schaffen. Schon bald herrschte unter dem Stephansdom wieder sowas wie Ordnung. Dann öffnete man die „Kirchen Krufften“ wieder und ließ gar Besucher unter Führung hinabsteigen.


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